Kontemplation

Was ist Kontemplation?

Kontemplation ist ein Weg des Gebets, der in die Erfahrung der Gegenwart Gottes führt. Dabei verzichtet die betende Person auf alle eigene äußere und innere Aktivität und überlässt sich ganz dem Wirken des Geistes Gottes in ihr.

In den Kontemplationskursen üben wir uns in der Ablösung von allen inneren Hindernissen und Blockaden: Es geht um die Befreiung von Bildern, Gedanken und Gefühlen, die unser Bewusstsein besetzen. Damit vertieft sich die Achtsamkeit und Sensibilität für das Leben, das uns umgibt und in uns geschieht. Das gesammelte Sitzen in stiller Versenkung ist die Basis der Kontemplation. Die Übung vollzieht sich im Lauschen nach innen, in der Beobachtung des Atems und der lautlosen Wiederholung eines Gebetswortes.

Diese Übung führt in das Gebet der Ruhe, eine Haltung, in der wir nichts aus uns selber tun können und tun brauchen. Das Ziel der Kontemplation beschreibt Paulus im Galaterbrief (2,20) mit den Worten: „Ich lebe, doch nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.” Die Übung der Kontemplation bewährt sich im Alltag, in gelassenem Annehmen dessen, was ist, und in liebevoller und verantwortungsbewusster Hinwendung zu den Mitmenschen und Mitgeschöpfen.

Hintergründe

Christliche Mönche des 3. u. 4. Jahrhunderts in Ägypten und Syrien zogen sich an abgelegene Orte zurück, um sich äußerlich und innerlich von allen Ängsten, Sorgen, Wünschen und Vorstellungen des Alltagslebens abzulösen. In dieser Abgeschiedenheit suchten sie nach Wegen, frei zu werden für die Gegenwart Gottes. Sie wurden die Wüstenväter genannt, denn sie folgten dabei dem Vorbild des Volkes Israel, das die Begegnung mit seinem Gott in der Wüste erfuhr, und dem Vorbild des Jesus von Nazareth, der vierzig Tage in der Wüste fastete. Ihr Gebet war darauf angelegt, alles, was der eigenen Person zugehört, zurückzunehmen, um dem Wirken Gottes in der Seele Raum zu geben. Darin liegt der Ursprung der christlichen Kontemplation.

Im christlichen Mönchtum des Mittelalters wurde Kontemplation als Vollendung der „Lectio divina” (geistliche Schriftlesung) verstanden: Auf die Stufen Schriftlesung (lectio), Nachdenken über den Sinn der Schrift (meditatio) und mündliches verbales Gebet (oratio) folgt die Stufe der inneren Schau (contemplatio). Sie galt als die Stufe, auf der sich der Sinn der Schrift jenseits der Worte und des Denkens erschließt. Die großen Lehrer und Lehrerinnen der Kontemplation - z. B. Johannes Cassian (360-435), Meister Eckhart (1260-1328); Teresa von Avila (1515-1582) und Johannes vom Kreuz (1542-1591) haben in der Kontemplation einen Lebensweg gesehen. Zu ihm gehört es, Schmerzen und Leiden anzunehmen, Phasen der „inneren Trockenheit” zu ertragen und immer wieder neu die Kraft des Gottvertrauens in sich zuzulassen. „Gott” ist dabei der Name für das Geheimnis in uns und allen Dingen, das uns in Liebe umfängt und anrührt.

Kontemplation und interreligiöse Ökumene

Der Weg der Kontemplation hat vieles gemeinsam mit mystischen Wegen anderer Kulturkreise und Religionen. Die Erfahrung der Einheit mit dem Grund des Seins wird in der jüdischen und islamischen Mystik ebenso wie auf vedischen und buddhistischen Wegen gesucht. Zu allen diesen Wegen gehört das Loslassen des Anhaftens an persönlichen Gedanken, Vorstellungen und Wünschen und das Sich Öffnen für eine Wirklichkeit jenseits aller Unterscheidung.

Wer sich für den Weg der Kontemplation entscheidet, lässt sich auf die Begegnung mit Christus und seiner Botschaft ein. Dazu bedarf es nicht der Zugehörigkeit zu einer Konfession oder der unkritischen Akzeptanz von Glaubensartikeln. Vorausgesetzt wird jedoch Offenheit für Texte des Alten und Neuen Testamentes und die Traditionen der christlichen Kirchen.

Zitate

„Fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.”
Paulus in der Apostelgeschichte, Kapitel 17

„So kraftvoll soll man beten, daß man wünschte, alle Glieder und Kräfte des Menschen, Augen wie Ohren, Mund, Herz und alle Sinne sollten darauf gerichtet sein; und nicht soll man aufhören, ehe man empfinde, daß man sich mit dem zu vereinen im Begriff stehe, den man gegenwärtig hat und zu dem man betet, das ist: Gott.”
Meister Eckhart

„Unser Wissen vom ewigen Leben beruht hier auf Erden darauf, daß der Mensch aus Liebe und vertraulichem Umgang, den er mit seinem Gott hat, ihm so völlig vertraut und seiner so sicher ist, daß er nicht zweifeln könne, und er dadurch so sicher wird, weil er ihn unterschiedslos in allen Kreaturen liebt. Und widersagten ihm alle Kreaturen und sagten sich unter Eidschwur von ihm los, ja, versagte sich ihm Gott selber, er würde nicht misstrauen, denn die Liebe kann nicht misstrauen, sie erwartet vertrauend nur Gutes.”
Meister Eckhart

„Wer mit dem inneren Beten begonnen hat, soll es ja nicht mehr aufgeben, mag er noch so viel Schlechtes tun, denn das Beten ist das Heilmittel, mit dem er sich retten kann, während ohne es alles viel schwerer wird. Wer noch nicht damit begonnen hat, den bitte ich um der Liebe des Herrn willen, doch nicht auf ein so hohes Gut zu verzichten; hier gibt es nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen”
Teresa von Avila